In Xela hatte ich mich ja schon sehr abseits von den Tourimassen gefühlt. Von Xela aus bin ich zu einem 6-Tagestrek aufgebrochen – durch die entlegensten Maya-Dörfer, in denen die Menschen kein Spanisch sondern nur ihre Maya-Dialekte sprechen. Keine Straßen, keine Elektrizität, im Hochland ist die Zeit etwas stehen geblieben, die Menschen wollen ihre Traditionen wahren.
Den ersten Ort – Nebaj haben wir nach etlichen Stunden in Chickenbussen erreicht. Einer war sehr klapperig – aber der Schriftzug “ Dieser Bus wird durch das Blute Jesus Christi beschützt“ hat mich dann beruhigt. In Nebaj sah man noch den ein- oder anderen Touristen und es gab Snickers zu kaufen (Snickersindex sollte den BigMac Index ersetzen).
Am ersten Wandertag haben wir Nebaj über Wanderwege verlassen und kleine Ortschaften passiert, in denen die Frauen fleißig am Weben waren. Das Highlight war erstmal die Käsefarm, haben uns dort erstmal für die nächsten Tage versorgt.
Je weiter wir ins Hochland vorgedrungen sind, desto einfacher wurden die Häuser, umso holpriger die Straßen.
Die erste Nacht haben wir mit Luftmatratzen auf dem Boden einer Schule im Dorf Xexecom verbracht. Anstatt einer Dusche gab es hier ein Temascal, das ist eine guatemaltekische Saunadusche. Auf Kohlen wird das Wasser erhitzt, in Kübeln mit kaltem Wasser gemischt und sich dann über den Kopp geschüttet – dabei wird es ganz schön dampfig. In den folgenden Tagen haben wir etliche kleine Dörfer passiert, die Leute hier haben kaum Einkommen, leben nur von ihren Ernten – lediglich die Webearbeiten können verkauft werden. Außer uns gibt es keine Touristen auf der Strecke. Früher wurde auf dem Treck gezeltet, bis ein Mayanese die Wanderer in sein Haus einlud.
So sitzen wir jeden Abend zusammen mit Hühnern und Katzen auf Holzschemeln in den spärlichen Küchen, während die Mayafrauen Tortillas backen. Wir haben uns auch daran versucht, allerdings ist der Teich ganz schön klebrig, die sonst so schüchternen und zurückhaltenden Mayas haben sich über uns kringelig gelacht.
Jeden Abend gab es Reis mit Bohnen und Tortillas…ganz schön langweilig. Ein Kind im Dorf sprach dann doch Spanish und kam abends zu unserm Lagerfeuer. Was habt ihr heute gegessen? Reis, Bohnen und Tortillas! Er bekam große Augen…bei dem kleinen Carlos gibt es nur Reis zum Abendbrot. Warum, obwohl hier doch die leckersten Früchte und Gemüse wachsen? Obst und Gemüse sind zu wertvoll um es selber zu essen, daher wird es auf dem Markt verkauft ☹️Die untere Einkommensschicht hat ein Einkommen von weniger als 1,50€ pro Tag (Snickersindex: ein Schnickers kostet 1€, allerdings bekommt man für 1€ auch 4 Mangos + 12 Minibabanen.
Bei der Armut fragt man sich, warum es immer wieder einige hübsche Steinhäuser gibt. Viele Männer reisen illegal in die USA zum Arbeiten, um sich ein Haus zu leisten. Leider ist die Ausreise als illegaler nicht so einfach, so dass es ungewiss ist, wann die Männer zurück kommen.
Wir wandern weiter, links und recht grunzt es aus dem Gebüsch, die Schweinchen finden immer was zu Essen, die Pferde und Maultiere hingegen sehen sehr eckig aus. Aber in einem Land in dem fast jedes (Maya) Kund unterernährt ist, wird natürlich kein Geld ausgegeben, um die Pferde zu füttern…
In Zukunft werde ich auf jeden Fall mehr dauest achten, von den kleinen Mayas direkt zu kaufen, die Restaurants und Märkte werden oft von den reicheren, europäisch beeinflussten geführt. Nach dem Trek haben wir erstmal den halben Markt in Todos Santos leer gekauft – endlich frisches Obst! Und es war das Leckerste was ich seit langem gegessen hab – in Deutschland mag ich Mangos nur selten, die großen brauchen erst ewig zum Reifen und sind dann mehlig. Hier gibt es kleine, kartoffelgrosse Mangos, die schmecken viel besser 😊
Auf jeden Fall war der Trip sehr schön und interessant, neben der Armut bleibt mir aber die Grausamkeit der Menschen unbegreiflich.
The dark side
Auf dem Trek haben wir auch viel über die Geschichte Guatemalas gelernt, insbesondere über den Bürgerkrieg der vor 30 Jahren seinen Höhepunkt erreicht hatte.
Die Verbrechen stehen den Nazis in Grausamkeit nichts nach ☹️
So ungefähr ist es geschehen: Die amerikanische United Fruit Company (heute Chiquita) hat das beste guatemaltekische Ackerland zum Spottpreis gekauft, die Farmer mussten ins weniger fruchtbare Hochland umsiedeln. Um ihre Steuern zu zahlen, mussten die Farmer ein paar Monate ohne Entlohnung für die United Fruit Company arbeiten. United Fruit macht große Gewinne, zählt kaum Steuern während die Guatemalis (insb. Mayas) am Existenzlimit leben. Irgendwann denken sich ein paar Mayas, dass dies ganz schön unfair ist, es wäre doch schön, wenn die Guatemalis etwas von dem Reichtum abbekämen. Also kauft die Regierung für das doppelte das United Fruit Land zurück. 10 Jahre lang hat sich die Situation der Guatemalesen langsam verbessert…aber das ganze geschah ja zu Lasten der United Fruit. Viele amerikanische Politiker hätten deren Aktien und fanden es doof das der Profit jetzt in den Keller ging. Und sowieso, den Menschen Land zurückgeben ist ja ziemlich kommunistisch und Kommunisten sind ja die Bösen! Warum sich nicht in Guatemala einmischen und alle Änderungen rückgängig machen?
Gesagt, getan. Der gute Präsident wurde geputscht, stattdessen helfen die glorreichen USA einem Diktator an die Macht. Das gefiel jetzt aber wiederum den Mayas nicht so gut – das alte Spiel die Reichen werden reicher, die Armen ärmer. Daher haben sich Widerstandsgruppen gebildet, um den Reichtum wieder gerechter zu verteilen. Diese Guerillas benötigten lediglich etwas Unterstützung von den Mayas – Nahrung, Unterkünfte, den Kampf würde sie selber austragen. Das wiederum gefiel der neuen Regierung nicht und jetzt wird es richtig hässlich. Jeder der die Guerillas unterstützt hat, ist Staatsfeind. Auch jeder von dem es nur vermutet wird. Staatsfeinde werden getötet.
Es sind vor allem die Armen Mayas. In einem Dorf werden alle Männer festgenommen, da das ganze Dorf die Guerillas unterstützt haben soll. Die Männer werden in zwei Gruppen aufgeteilt. Die erste wird auf den Dorfplatz geführt, die Männer müssen sich hinlegen und werden mit einer Schicht Erde bedeckt. Der zweiten Gruppe werden die Augen verbunden. Sie werden irgendwo hin geführt und gezwungen zu rennen, springen und zu trampeln, wer still steht wird erschossen. Das Getrampel war auf dem Dorfplatz…sie konnten nicht sehen oder hören dass sie die andere Gruppe zu Tode getrampelt haben…später wurden die Trampler erschossen, das Dorf abgebrannt, Frauen und Kinder verstecken sich in den Bergen. Wie krank kann ein Mensch im Kopp sein? Da das ganze noch keine 30 Jahre her ist, war es ein sehr bedrückendes Gefühl durch die Dörfer zu laufen – die Älteren haben diese Zeit ja hautnah miterlebt. Die Frauen wurden nur vergewaltigt, es sei denn sie waren schwanger, dann würden die Bäuche aufgeschnitten und die Föten zerstückelt.
Das is kein Horrorfilm, das ist wirklich passiert. Ggf. hab ich jetzt ein paar Fakten durcheinander geworfen, aber auf jeden Fall ist es schrecklich was da so passiert ist.